«Freiwillige möchten das Gefühl haben, dass ihre Arbeit geschätzt wird» – Freiwillige im Bistum St. Gallen, eine Einordnung von Dominik Michel-Loher

14. Nov. 2024

Welche drei wichtigsten Punkte kommen dir in den Sinn zum Thema Freiwillige im Bistum St. Gallen?

Dominik Michel-Loher: Freiwillige tragen massgeblich zum Erfolg einer lebendigen Pastoral bei. Ihr Engagement erstreckt sich über vielfältige Bereiche, wie die Liturgie (z.B. als Lektorinnen und Ministrantinnen), die Diakonie (z.B. in der Kranken- und Seniorenbegleitung), die Jugendarbeit (z.B. bei Jungwacht Blauring) und die Vorbereitung auf die Sakramente (z.B. Firmung und Erstkommunion). Ohne ihren tatkräftigen Einsatz wäre die Vielfalt kirchlicher Aktivitäten kaum zu bewältigen.

Im Bistum St. Gallen liegt uns die Freiwilligenarbeit besonders am Herzen. Deshalb haben wir vor ein paar Jahren den Leitfaden Freiwilligenarbeit erarbeitet. Dieser hilft dabei, das Engagement nachhaltig zu gestalten und den Freiwilligen notwendige Kompetenzen zu vermitteln. Workshops, Fortbildungen und spirituelle Begleitung sind oft ein zentraler Bestandteil der Freiwilligenarbeit.

Eine zentrale Herausforderung besteht darin, neue Freiwillige zu gewinnen, insbesondere in einer Zeit, in der die Kirche mit Mitgliederschwund und gesellschaftlichen Veränderungen konfrontiert ist. Anerkennung und Wertschätzung der Freiwilligen spielen eine entscheidende Rolle, um dieses Engagement zu fördern

Wie nimmst du die Zusammenarbeit zwischen Freiwilligen und Hauptamtlichen war? Chancen und Stolpersteine?

Dominik Michel-Loher: An vielen Orten funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Hauptamtlichen und Freiwilligen sehr gut, auch wenn der Grad der tatsächlichen Beteiligung der Freiwilligen stark variiert. Wie jedoch bereits erwähnt, haben Seelsorgeeinheiten und Pfarreien oft Schwierigkeiten, Freiwillige zu gewinnen. Woran das genau liegt, ist schwer zu sagen. Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass es den Hauptamtlichen schwerfällt, den nötigen Raum für die Beteiligung der Freiwilligen zu schaffen – insbesondere im mentalen Sinne. Freiwillige sollten nicht nur Verantwortung übernehmen, sondern auch die Befugnis erhalten, ihre Aufgaben eigenständig und mitgestaltend auszuführen. Nur so kann echte Teilhabe entstehen. Dies ist in meinen Augen attraktiv.

Welches Fazit ziehst du für das Projekt Neuland in St. Gallen? Was hat sich bewährt, wo liegen Schwierigkeiten?

Dominik Michel-Loher: Der Neuland-Prozess bleibt im Bistum St. Gallen ein zentrales Anliegen. Dennoch müssen wir bisher eine durchzogene Bilanz ziehen. Während die Einbindung von Freiwilligen in einigen Seelsorgeeinheiten sehr erfolgreich verläuft, fällt es vielen anderen schwer, das Kernanliegen des Neuland-Prozesses zu verstehen.

Dort, wo der Prozess gut umgesetzt wird, zeigt sich, dass sich der Einsatz trotz Zeitmangels lohnt: Zeit in die Befähigung und professionelle Begleitung der Freiwilligen zu investieren, zahlt direkt auf das Konto von Wertschätzung und Anerkennung ihrer Arbeit ein. Gleichzeitig stellt dies eine der grössten Herausforderungen dar. Viele Pastoralteams sehen sich aufgrund begrenzter zeitlicher und personeller Ressourcen nicht in der Lage, die nötige Zeit für die Begleitung und Unterstützung der Freiwilligen aufzubringen. Dies führt teilweise dazu, dass entweder kaum Freiwillige eingebunden werden oder sie plötzlich für ihre Arbeit eine kleine Anstellung oder finanzielle Entschädigung erhalten. Dies geschieht häufig nur deshalb, weil es nicht möglich ist, Wertschätzung und Anerkennung auf andere, zeitintensivere Weise auszudrücken.

Welche Tipps hast du an Pfarreien, welche Freiwillige suchen?

Dominik Michel-Loher: Ich sehe da sieben Punkte:

  • Menschen engagieren sich eher, wenn sie die Bedeutung und den Zweck ihres Engagements verstehen. Warum wird ihre Mithilfe gebraucht wird und welchen positiven Einfluss können Freiwillige haben? Was haben sie davon, wenn sie sich freiwillig engagieren?
  • Menschen fühlen sich oft durch persönliche Einladungen angesprochen. So hilft es, potenzielle Freiwillige direkt anzusprechen, sei es durch Gespräche nach dem Gottesdienst oder individuelle Einladungen per Telefon oder E-Mail. Es hilft, den persönlichen Kontakt herzustellen, statt nur allgemeine Aufrufe zu machen.
  • Unterschiedliche Formen von Engagement anbieten, die verschiedene Interessen und Fähigkeiten ansprechen. Nicht jeder möchte dieselbe Art von Arbeit tun, und flexible Optionen, wie zeitlich begrenzte Projekte oder kontinuierliche Aufgaben, erhöhen die Chancen, Freiwillige zu gewinnen.
  • Freiwillige möchten das Gefühl haben, dass ihre Arbeit geschätzt wird. Regelmässige Verdankung und Anerkennung ihrer Leistungen – sei es in Form von öffentlichen Erwähnungen, kleinen Geschenken oder Dankesbriefen – motivieren sie, sich weiterhin zu engagieren.
  • Das Gemeinschaftsgefühl innerhalb der Kirche kann ein starker Motivator sein. Dazu können Veranstaltungen organisiert werden, bei denen Freiwillige zusammenkommen, um sich kennenzulernen und auszutauschen. Menschen arbeiten gerne in einem Umfeld, in dem sie sich wertgeschätzt fühlen und Beziehungen aufbauen können.
  • Fortbildungen oder Schulungen anbieten, damit sich die Freiwilligen sicher fühlen und ihre Aufgaben gut bewältigen können. Es ist wichtig, dass sie sich unterstützt fühlen und wissen, dass sie bei Fragen oder Herausforderungen nicht allein sind.
  • Erfolge sichtbar machen.

 

Dominik Michel-Loher

leitet die Abteilung Pastorale Entwicklung und Beratung des Pastoralamtes des Bistums St. Gallen. Er ist u.a. für das Thema Freiwillige im Bistum zuständig.

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